British American Tobacco – Wo liegen die Definitionsgrenzen von ESG?
Erfolgreiches Portfoliomanagement zeichnet sich vor allem durch Diversifikation in jeglicher Hinsicht aus, um Risiken zu minimieren. Aber wie wird Erfolg gemessen? Am Ende des Jahres einzig und allein durch Rendite. Aber wie lässt sich langfristig Rendite maximieren beziehungsweise Risiken minimieren und dabei noch ethische Prinzipien Verfolgen? Durch ESG-Investments soll dies den Investor:innen erleichtert werden, da alle Faktoren hier einbezogen werden. Zukünftig werden durch Regulierungen jeglicher Art Unternehmen dazu verpflichtet, bestimmte Kriterien einzuhalten, um ökologisch und ökonomisch weiterhin im Sinne der Gesellschaft zu funktionieren und gleichzeitig in gewisser Hinsicht betriebswirtschaftlich zu arbeiten, um Unternehmenswachstum zu garantieren.
Wenn man den heutigen gesellschaftlichen Konsensus genauer betrachtet, ist Gleichberechtigung und Gleichbehandlung einer der wichtigsten Aspekte. Jede auch so abstrakte Stimme findet Anerkennung und Zuhörer. Ist es also (mit Einbezug dieser Ansichtsweise) vertretbar ganze Industrien, auf welchen Jobs beruhen, Familien ernährt werden und Steuergelder eingenommen werden komplett aus einer Zukunftsprojektion auszuschließen?
Dieser Frage ist offen gesagt etwas widersprüchlich, wenn beispielsweise die Tabakindustrie von den meisten ESG-Investments nicht einmal beachtet wird. Aber wäre in einer adaptiven, sich ständig wandelnden Welt durch technische Fortschritte und neue Erfindungen ein solcher Schritt nicht fatal? Könnten durch funktionierende Tabakersatzprodukte nicht Millionen von Menschen mit dem Rauchen von schädlichen Zigaretten aufhören und somit Leben gerettet werden?
Der Wiederspruch besteht aus der kompromisslosen Exklusion mehrerer kompletten Industrien. Hierdurch können durch Simplifikation von komplexen Prozessen ausschließlich positive Schlagzeilen kreiert werden, um leichtgläubige und zum Teil ahnungslose Investor:innen anzuziehen. Jede Industrie macht einen technischen Wandel durch, womit für eine zukünftige auf Rendite ausgelegte ESG-Investition keine voreiligen Schlüsse zulassen darf um effektiv zu Funktionieren. Beim Investieren ist Rationalität gefragt und Vorurteile gegenüber bestimmten Industrien sollten erneut untersucht werden – Wissen ist Macht —
Das 3. „UN Sustainable Development Goal” lautet “good health and well-being”. Darf eine Aktie wie McDonalds als ESG-konform zählen, wenn Fettleibigkeit die Lebenserwartung erheblich senkt, das Herz belastet und zum Versagen der Organe führt? Wenn das Investieren als Anlage für die Zukunft gesehen wird, müsste die Zukunftsorientierung der Tabakkonzerne genauer betrachtet werden. Aktien der Tabakindustrie waren jahrzehntelang aus keinem guten Income-Portfolio wegzudenken. Die Abneigung der ESG-Investor:innen kann neu abgewägt werden, wenn diesen Unternehmen die gleiche Chance gegeben wird wie beispielsweise Autokonzernen oder Lebensmittelherstellern.
Der Tabakkonzern British American Tobacco hat beispielsweise die direkten CO2-Emissionen (Scope 1) im Vergleich zum Vorjahr reduziert, die Abfallproduktion, den Energiekonsum und den Wasserverbrauch ebenfalls (Source: www.ggx.swiss). Warum also sollte ein Unternehmen, welches nachweislich einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit macht und die Unternehmensphilosophie auf „non-combustible-products“ umstellt ignoriert werden? Das hohe Potenzial für den Investor:in sollte die gleiche Wertschätzung und Informationsdichte erhalten wie andere Unternehmen, welche mit dem ESG-Auge betrachtet werden.
Tabakkonzerne weisen folgende Charakteristiken auf:
- Substanzielle Einnahmen und Gewinne
- Zuverlässige Wachstumsaussichten
- Hohe Dividendenrenditen
All dies sind Fakten, bei denen selbst uninformierte Investor:innen hellhörig werden sollten. Die Kontroversität zwischen Tabak und ESG ist dennoch vorhanden. Um hier ein paar Fakten klarzustellen, sollte man sich die Tabakindustrie aus heutigem Snapshot genauer anschauen. Menschen konsumieren seit tausenden Jahren Tabak in jeglicher Form. Die Zigarette ist nur eine von vielen. Könnten neue Formen von Nikotinkonsum an Stelle der Zigarette treten und somit die Branche revolutionieren? Allein in den USA konsumieren ca. 31 Millionen Menschen Zigaretten und 1600 junge Menschen ziehen täglich an der ersten Zigarette (Source: https://www.cdc.gov/tobacco/data_statistics/fact_sheets). Diese Tatsachen werden durch den Ausschluss von Tabakkonzernen aus ESG-Fonds nicht verschwinden. Durch Investments in die Branche wird man jedoch den Wandel zu nachhaltigeren, weniger gesundheitsschädlichen Alternativen unterstützen. E-Zigaretten sind beispielsweise deutlich weniger schädlich als das herkömmliche Produkt. Aber nicht nur E-Zigaretten sind eine Alternative für den Markt. NGPs (Next-Generation-Products) ersetzen nach und nach die Zigarette. Diese Alternativen bestehen aus:
- Vaping: Eine Heizspirale erhitzt eine Flüssigkeit bis zum Siedepunkt, die dann den Dampf erzeugt, den der Nutzer inhaliert
- Heated Tobacco: erhitzte Tabakerzeugnisse funktionieren bei 250-350°C (Zigarette bei ca. 800). Der Konsument ist weniger krebserregenden Stoffen ausgesetzt und konsumiert ausserdem weniger Nikotin
- Orale Nikotinbeutel: Erhalten keinen Tabak, nur noch Nikotin in Kristallform mit verschiedenen Geschmacksrichtungen
Die Nachfrage und das Angebot dieser Produkte steigen jährlich. So auch die Umsätze von British American Tobacco.
Mit der starken Dividende trotz schlecht laufenden wirtschaftlichen Umfeldes ist BAT bei Investor:innen weiterhin sehr beliebt. Auch die Umsätze und Aktienrückkäufe machen die Aktie zu einem interessanten Investment für die Gegenwart und Zukunft. Der Aktienmarkt ist derzeit sehr volatil und unruhig – BAT nicht. Tech-Aktien crashen, Value-Aktien locken Investor:innen an und schaffen Rendite.
Aber kann ein Investment in BAT in ein Portfolio passen, welches ESG-konform investiert?
Diese Frage muss eigenständig beantwortet werden… definitiv sollte hier jedoch über den Tellerrand geschaut werden. BAT liefert nicht nur starke Bilanzzahlen und minimiert nach und nach umweltschädigende Aspekte, wie den CO2 Ausstoß den Wasserkonsum. Das Geschäftsmodell ist darauf ausgelegt dem Markt der Tabakindustrie heute und zukünftig Alternativen zu liefern. Zudem eignet sich der Einstiegszeitpunkt. Dieses Jahr steht eine Dividende bevor, die britischen Aktien haben in letzter Zeit an Wert nachgegeben und der neue Premierminister sollte aufgrund seiner wirtschaftlichen Erfahrung und Ausrichtung im Sinne der Finanzmärkte handeln.
Zusammenfassend sollten ESG-Investor:innen individuell abwägen, inwiefern bestimmte Industrien in ein Portfolio gehören oder nicht. Hierbei ist es jedoch wichtig, sich ein eigenes, fachlich fundiertes Bild zu machen und keine pauschalen Schlüsse anhand von mangelnden Informationen zu treffen.
Über den Author
Jakob Beckmann ist Associate bei der Global Green Xchange und Head des Data Acquisition Team. Als Autor des Newsletters «Green Money» und von ESG Insights analysiert und berichtet er regelmässig zu Anlagethemen und aktuellen Entwicklungen mit Relevanz für Trading & Investing.