Chinas Solar-Industrie und das ESG-Problem
Viele Regierungen wollen Solarenergie-Projekte fördern und gleichzeitig ESG-Standards durchsetzen. Das Beispiel China zeigt, wie schwierig das ist.
Solarenergie ist derzeit ist in aller Munde. Als Weg in eine nachhaltige Zukunft mit weniger Abhängigkeit von Erdöl und Gas exportierenden Staaten scheinen Solarpanels die richtige Lösung. Immer mehr Staaten treiben deshalb die Infrastrukturen für Solarenergie voran und belohnen Private mit Vergünstigungen, wenn sie ihre Häuser mit Panels bestücken.
China ist ein Solar-Powerhouse
An den internationalen Börsen spiegelt sich diese Entwicklung wider. Aktien von Solar-Firmen haben sich im turbulenten und schwierigen Börsenjahr hervorragend gehalten und gehören zu den wenigen Gewinnern im Markt. Dazu zählen US-Unternehmen (Enphase, Solaredge, Sunnova, etc.), aber auch chinesische Anbieter wie Daqu oder JinkoSolar.
Das ist kein Wunder, denn China spielt bei der Solarenergie eine wichtige Rolle. Als Chinas Präsident Xi Jinping versprach, bis 2060 Kohlenstoffneutralität zu erreichen, machte er China zum ersten grossen Schwellenland, das sich zu einer Obergrenze für Treibhausgase verpflichtete. Die Folge: China dominiert derzeit die Solarbranche. Chinesische Unternehmen kontrollieren rund 80 Prozent der weltweiten Lieferkette für Solarmodule.
Rund 45 Prozent des weltweiten Angebots an Polysilizium, dem wichtigsten veredelten Material, aus dem 95 Prozent der Solarmodule bestehen, stammen dabei aus der autonomen Region Xinjiang-Uigurien in China. Das ist ein Problem, denn der Name der Provinz im Westen von China taucht immer wieder in Berichterstattungen über Repressalien und gewaltsames Vorgehen der chinesischen Zentralregierung gegenüber der islamischen Minderheit der Uiguren auf.
Zwangsarbeit und Umweltschäden
Tatsächlich haben die Regierungen der USA, England, Kanadas und der Niederlande erklärt, dass China durch seine Behandlung der Uiguren und anderer muslimischer Mehrheitsvölker in Xinjiang Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. In einem Bericht der Universität Sheffield wurden die wichtigsten Lieferketten für Solarenergie, von den Rohstoffen bis zur Herstellung der Paneele, nachverfolgt. Dabei wurde festgestellt, dass in erheblichem Umfang Zwangsarbeit eingesetzt wird.
Was heisst das konkret? Die Internationale Arbeitsorganisation definiert Zwangsarbeit als Arbeit, die unfreiwillig und unter Androhung einer Strafe verrichtet wird. Der Bericht zeigt zudem die schädlichen Umweltauswirkungen der Produktion von Solarzellen in der Region auf. Denn um Polysilizium für Solarzellen herzustellen, müssen die Rohstoffe bei extrem hohen Temperaturen gereinigt werden – und das verursacht einen hohen CO2-Ausstoss.
ESG-Standards werden nicht erfüllt
Im Zusammenhang mit der Einhaltung von ESG-Standards wird das zum Problem. Investor:innen suchen nach Möglichkeiten, um in erneuerbare Energien zu investieren. Dabei wollen sie aber auch auf ESG-Investitionen setzen und sind sich oft nicht bewusst, dass sie mit gewissen Investments zu Kohlenstoffemissionen und Menschenrechtsverletzungen beitragen.
Sowohl das «E» (Enviromental) als auch das «S» (Social) von ESG sind bei Solarpanels aus China also zumindest fragwürdig. Oder auch schlicht: nicht erfüllt. Wichtig dabei ist daher, dass ESG ein wichtiger Faktor ist, jedoch innerhalb der drei Buchstaben auch Konflikte entstehen können. Die Prioritätensetzung und Wertevorstellung jedes Anlegenden ist daher gefragt.
Über den Author
Lukas Rüttimann ist Journalist, Copywriter und Storyteller. Er hat für zahlreiche Schweizer Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet, in unterschiedlichen Funktionen vom Reporter bis zum Chefredaktor. Als Freelancer deckt er ein breites Spektrum ab, wobei ihm nachhaltige, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Themen besonders am Herzen liegen. Lukas Rüttimann hat u.a. in den USA gelebt, wohnt und arbeitet heute aber von Zürich aus.