Klimaneutral fliegen – geht das wirklich?
Es klingt zu schön, um wahr zu sein: in die Ferien fliegen, ohne die Umwelt durch CO2-Emissionen zu belasten. Wir machen den Check, was am klimaneutralen Fliegen dran ist.
Es ist ein schönes und fast verloren geglaubtes Gefühl, welches sich derzeit wieder breit macht: In die Ferien fliegen, in fremde Länder, an tolle Strände, aufregende Cities – und das alles, ohne durch Pandemie-Massnahmen so abgeschreckt zu werden, dass man die Reise am liebsten gar nicht erst antreten möchte. Der Flugverkehr erwacht denn auch so langsam aus seiner Zwangspause. Jetzt, auf den Beginn der Sommerferien hin, ist das Fliegen erst recht wieder Thema. Doch auch das Gewissen meldet sich bei vielen wieder, denn Flugreisen gehören zu den umweltschädlichsten Verkehrsformen.
SAF, die nachhaltige Kerosin-Alternative
Tatsächlich gehören Flüge zu den Top 10 der Klimasünden. Emissionen durch Flugreisen sind besonders klimaschädlich, weil diese direkt in hohe Atmosphärenschichten abgelagert werden. Sie fördern den Treibhauseffekt deshalb stärker als Emissionen in Bodennähe. Nur schon mit einem Flug von Zürich nach Miami und zurück werden rund drei Tonnen CO2 ausgestossen. Die Fluggesellschaften wissen um das Problem. Viele Airlines haben deshalb begonnen, klimaneutrale Flüge anzubieten. Und zwar über ein Angebot, das klimaneutrale Flüge durch Ausgleichszahlungen ermöglichen soll.
Kundinnen und Kunden der Swiss etwa können bei der Buchung klimaneutralen Treibstoff kaufen. Damit bietet ihnen die Airline die Option, die bei Flügen entstehenden CO2-Emissionen mit nachhaltigen alternativen Kraftstoffen mehrheitlich auszugleichen. Dieses sogenannte Sustainable Aviation Fuel (SAF) ist «eine der vielversprechendsten Optionen, um die Zukunft des Fliegens klimaneutral zu gestalten», wie das Unternehmen schreibt.
Mit Flügen nachhaltige Projekte unterstützen
Für diese Art der CO2-Kompensation gibts zwei Optionen: Du kannst fossile Flugkraftstoffe eins-zu-eins durch SAF ersetzen. Dafür wird dir die Preisdifferenz zwischen SAF und Kerosin berechnet. Als Kunde oder Kundin zahlst du den Aufpreis für den nachhaltigen Treibstoff, die Airline speist ihn in den Flugbetrieb ein. Reisende können aber auch über die Stiftung myclimate nachhaltige Projekte unterstützen und damit einen positiven Effekt auf das Klima bewirken. Über die «Compensaid»-Plattform kannst du wählen, mit welchem Ansatz du die CO2-Emissionen deiner Reise reduzieren möchtest.
Das Problem mit der «Klimaneutralität»
Kannst man also wirklich ohne schlechtes Gewissen in die Ferien fliegen? Leider ist es trotz diesen überzeugend klingenden Angeboten nicht ganz so simpel. Denn Klimaneutralität heisst grundsätzlich, dass das Klima durch einen Prozess nicht beeinflusst wird. Bei Flügen mit SAF werden CO2-Emissionen aber lediglich reduziert, nicht etwa weggezaubert. Zudem ist der Flugbetrieb an sich nicht besonders klimaneutral, Kompensationen hin oder her.
Eine Studie der ETH kommt gar zum Schluss, dass es auch in Zukunft am wirksamsten wäre, wenn Flugzeuge fossilen Treibstoff verwenden würden. Das ausgestossene CO2 sollte dann aber in Abscheidungsanlagen der Atmosphäre entnommen und im Untergrund gespeichert werden. Dabei handelt es sich um das sogenannte «Carbon capture and storage»-Prinzip.
Tatsächlich stehen solche Projekte aber erst am Anfang. Deshalb ist es nach wie vor sinnvoll, Flugreisen wenn möglich einzuschränken. Ein Schritt in die richtige Richtung ist klimaneutrales Fliegen aber auf jeden Fall – und für den Seelenfrieden am Strand ist das Angebot sicherlich auch keine schlechte Idee.
Über den Author
Lukas Rüttimann ist Journalist, Copywriter und Storyteller. Er hat für zahlreiche Schweizer Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet, in unterschiedlichen Funktionen vom Reporter bis zum Chefredaktor. Als Freelancer deckt er ein breites Spektrum ab, wobei ihm nachhaltige, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Themen besonders am Herzen liegen. Lukas Rüttimann hat u.a. in den USA gelebt, wohnt und arbeitet heute aber von Zürich aus.