Novelfood – mehr als bloss fleischloses Fleisch
Novelfood gilt als mögliche Antwort auf den Klimawandel. Neuartige Kreationen schiessen wie Pilze aus dem Boden und gehen weit über fleischloses Fleisch hinaus.
Wer in den Regalen der Grossverteiler nach Fleischersatz sucht, erlebt aktuell glückliche Zeiten. War «meatless meat» hierzulande lange exotisch, ist das Angebot an veganen Alternativen mittlerweile enorm gewachsen. Neben internationalen Erfolgsprodukten wie Beyond Meat haben zuletzt auch immer mehr einheimische Anbieter ihren Platz im Sortiment gefunden.
Kein Wunder, denn Fleisch ist als Umweltsünde(r) längst enttarnt. Vor allem Wiederkäuer haben einen extrem hohen CO2-Ausstoss. Pro Kilo Rindfleisch werden umgerechnet 13,3 Kilo CO2 freigesetzt. Zum Vergleich: Die gleiche Menge Mischbrot produziert 0,75 Kilo CO2, Tomaten bloss 0,2 Kilo CO2.
Mehr als nur Fleischersatz
Pflanzliche Klone von Fleisch und Fisch sind längst im Handel. Doch Novelfood ¬– also Lebensmittel, die nach einem neuartigen Verfahren hergestellt wurden – als Industrietrend hat gerade erst so richtig losgelegt. Zum nächsten Schritt gehören etwa Produkte wie Fermenter Käse aus Pilzen und Hefe oder In-vitro-Fleisch aus künstlich vermehrten Tierzellen. Denn um Tierprodukte aus der Nahrung zu entfernen, spielt der Mensch sogar Gott. Auch, weil sich hinter dem Novelfood-Trend ein Milliardengeschäft versteckt, von dem sich viele rechtzeitig einen Teil des Kuchens sichern wollen.
Bis Fleisch und Fisch aus dem Labor im Laden landen, wird es noch etwas dauern. Weniger Science Fiction – aber dennoch abgefahren – sind Lachsimitate aus dem 3D-Drucker oder Eier aus Erbsenprotein, Süsskartoffeln und Rapsöl. An diesem sogenannten «VEgg» arbeitet derzeit ein gleichnamiges Start-up aus Deutschland. Wobei das grösste Problem offenbar die Schale, und nicht etwa der Inhalt des Eis, ist.
Der Trend scheint unaufhaltsam. Letztes Jahr sicherte sich das spanische Start-up-Unternehmen Baia Food den Status eines neuartigen Lebensmittels für seine «dried miracle berries» (deutsch: getrocknete Wunderbeeren). Es hofft, dass dies der erste Schritt zu einem neuartigen Ansatz zur Zuckerreduzierung ist. Denn die Beeren, die in Westafrika seit dem 18. Jahrhundert angebaut werden, können saure Aromen in süsse verwandeln.
Futter für das Hirn
Auch die Branche der essbaren Insekten feierte, als Wanderheuschrecken vor zwei Jahren erstmals als sicheren Novelfood für den Menschen eingestuft wurden. Der Antrag, den der Mehlwurm- und Heuschreckenzüchter Fair Insects eingereicht hatte, wurde als Fortschritt in der öffentlichen Akzeptanz von essbaren Insekten als Proteinquelle gesehen. Tatsächlich sind Heuschrecken eine optimale Quelle für Makronährstoffe, die in vielen Produkten – von Burgern bis hin zu Snacks und Süssigkeiten – verwendet werden könnten.
Sogar fürs Hirn gibt’s Novelfood. Nootropika, eine Klasse von pflanzlichen Verbindungen, die als kognitive Verstärker wirken und das Gedächtnis und die Gehirnfunktion verbessern, werden zunehmend in neue Lebensmittel und Getränke eingearbeitet. Das ist dann doch ein ziemlicher Quantensprung zur fleischlosen Wurst – und dennoch erst der Anfang einer Entwicklung, die letztlich sowohl Menschen wie auch der Umwelt guttun soll.
Über den Author
Lukas Rüttimann ist Journalist, Copywriter und Storyteller. Er hat für zahlreiche Schweizer Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet, in unterschiedlichen Funktionen vom Reporter bis zum Chefredaktor. Als Freelancer deckt er ein breites Spektrum ab, wobei ihm nachhaltige, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Themen besonders am Herzen liegen. Lukas Rüttimann hat u.a. in den USA gelebt, wohnt und arbeitet heute aber von Zürich aus.